Wenn nicht jetzt, wann dann?
Von Gerhard Merk

Hier ist es, das Lebensgefühl der Karibik: Unwiderstehlich lockt die größte Karibikinsel mit Puderzuckerstränden und kolonialem Charme. Überall erklingen exotische Rhythmen, überraschend urwüchsige Natur. Kuba ist aus dem Dornröschenschlaf erwacht und lädt zum bezahlbaren Urlaub unter Palmen. Jahrzehntelang genossen nur relativ wenige Touristen ihre Ferien auf dem sozialistisch regierten Eiland, trotz exzellenter Bademöglichkeiten und des quirligen Mix der Kulturen. Das hat sich gründlich geändert: Aktuell ist Kuba das Boomziel der Antillen schlechthin.
Bis dahin können die Cubanos noch einmal tief durchatmen. Und die Europäer nutzen die Zeit, um in der Ästhetik des Unvollkommenen zu schwelgen. Noch ist der morbide Charme vergilbter Grandeur in der Altstadt von Havanna nicht wegsaniert. Noch schlängeln sich expressionistische Kabelbündel an vormals vornehmen Fassaden entlang, stützen Gerüste und Balken den bröckelnden Stuck. Auf morschen Balkonen flattert bunte Wäsche.
Nostalgisches Havanna: Schönheit in Weiß
Die Habaneros drunten auf der Straße lässt das alles unberührt. Sie konzentrieren sich auf das Klickern der Dominosteine. Auf der Plaza tänzeln Kellner durch quirlige Straßencafés. Am berühmten Malecón, der gischtumsprühten Uferpromenade, zeigt die neue US-Botschaft nach einem halben Jahrhundert wieder Flagge – und die Hauptstadt frische Farbe mit Tupfern von kolonialem Pastell. Am Abend taucht die Perlenkette der Straßenlampen auch die maroden Fronten der Esplanade in ein warmes Zauberlicht.
Bei Tag ist Havanna eine Schönheit in Weiß. Von den Wällen der Hafenfestung El Morro gesehen leuchtet die Skyline wie von innen heraus. Bei Nacht spiegelt sich ihr Collier funkelnd in der Bucht.


Es ist unübersehbar: Kuba will den Anschluss an die Moderne schaffen. Seine Gäste aber suchen den Zauber der Fünfzigerjahre. Dabei war diese Zeit für die Mehrheit der Kubaner alles andere als bezaubernd: Sie litten unter einem korrupten Diktator, der Havanna zum Sündenbabel Amerikas gemacht hatte. US-Gangster wie Lucky Luciano und Mayer Lanski kontrollierten von Kuba aus ihr US-Geschäft mit Drogen, Glücksspiel und Prostitution, während Frank Sinatra für sie im Luxushotel Nacional sang. 1959 setzten Fidel Castros Rebellen dem Treiben abrupt ein Ende. Washington konterte mit einem Wirtschaftsembargo. Seither gehen auf der größten Insel der Antillen die Uhren langsamer.
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Grüne Natur: Dusche unterm Wasserfall
Dem echten Kuba begegnet man allerdings kaum in der Stadt und noch seltener am Strand, sondern am besten auf der Fahrt durchs weite Land: etwa in den Westen, wo die Tabakfelder wogen, oder Richtung Süden an die Karibikküste, an der das Zuckerrohr wächst für den berühmten Rum der Insel. Da trifft es sich gut, dass die meisten Urlauber vor ihrem Strandurlaub eine Rundreise mit den Höhepunkten der Inselkultur gebucht haben.
Unterwegs geht es geruhsam zu; der Fahrer überholt deutlich mehr Pferdekarren als Autos. Links taucht ein Farmhaus in Pink auf, garagengroß, mit einem zerbeulten Tank auf Stelzen daneben. Rechts der Bauer beim Pflügen mit dem Ochsengespann. Sein Trecker rostet im Hof. Im Fluss unter der Brücke striegelt einer sein Pferd.


Eine Nummer größer, ebenfalls Weltkulturerbe, präsentiert sich die Stadt Cienfuegos. Häuser von Barock bis Art Déco mit endlosen Laubengängen reihen sich zu bunten Perlenschnüren. Seinen einstigen Reichtum verdankte Cienfuegos der Zuckerindustrie. Die Zuckerbarone bauten sich prächtige Paläste, zum Beispiel den Palacio del Valle, heute ein Luxushotel mit wunderbarer Aussicht über die Bucht.
Um Zucker, das süße Nationalgut, geht es auch bei einer Fahrt mit dem Dampfzug ins Valle de los Ingenios, das Tal der Zuckermühlen. Aus den Feldern mit den alten Fabriken, Herrenhäusern und Sklavenhütten ragt ein sieben Stock hoher Glockenturm. Von dort oben ließen die Aufseher die Leibeigenen keine Minute aus den Augen. Am Fuß des Campanile verkaufen jetzt Frauen Leinenhemden. Männer pressen süßen Saft aus dem Zuckerrohr.
Kuba ist eine Insel von gewaltigen Ausmaßen. Mehr als 1000 Kilometer sind es von Havanna über Cienfuegos und Trinidad bis zum östlichen Zipfel des Eilandes. Dort, bei Baracoa, hat Christoph Columbus 1492 auf seiner Entdeckungsreise Amerikas sein Holzkreuz aufgepflanzt. Ergriffen diktierte er seinem Schreiber: "Diese Insel ist die schönste, die Menschenaugen wohl je gesehen." Die folgenden Jahrhunderte bis hin zur Revolution war die Küste nur per Schiff erreichbar. Sie ist bis heute ein Biotop, wie es schon ihr Entdecker sah.
Das gilt auch für den benachbarten Naturpark, den 1800 der deutsche Naturforscher Alexander von Humboldt erschlossen hat. Mit bis zu 2000 Arten übertrifft der "Parco Alejandro" sogar die isolierten Galápagos-Inseln im Pazifik. Drei Stunden lang führt der Guide durch feuchtwarmen tropischen Regenwald. Im grünen Filz aus Riesenfarnen, Gummibäumen, Mangroven und Palmen leuchten seltene Orchideen. Schnecken schrecken mit leuchtenden Tarnfarben. In einem Drachenbaum blitzen Kubas Farben kurz auf: rot, weiß, blau – das ist der Tocororo, Kubas Nationalvogel.
Strände ohne Ende: Tauchgründe zum Verlieben
Den längsten und breitesten Sandstrand dieser Urlaubswelt besitzt die Halbinsel Varadero. 20 Kilometer lang schmiegt sich das weiße Band ans badewannenwarme Meer. 50 Hotels und ein eigener Flughafen machen die Halbinsel zum idealen Endpunkt aller Rundreisen. Man aalt sich im schmeichelnden Sand, surft, schnorchelt, segelt – und stürmt am All-inclusive-Büffet ein Schlaraffenland mit ungeahnten Köstlichkeiten von Turf bis Surf.
Ein Tagesausflug per Katamaran führt nach Cayo Blanco, zu einer der vielen kleinen vorgelagerten Robinson-Inseln. Das Boot mit dem weißen Doppelrumpf dümpelt vor Anker, die Gäste schnorcheln über klarem Korallengrund zwischen exotischen Fischen. Schlanke Kanadierinnen stehen bis zu den Knien im sanft schwappenden Wasser und nippen an ihrem eisgekühlten Cuba libre. Fern klimpert eine Gitarre, vom Grill weht bereits der Geruch von Spareribs, Lobster und Red Snapper.

Der Luftzug lässt die Palmenschatten flirren. Jetzt nur nicht aufstehen! Feiner Sand rieselt durch die Finger - Korallen, vom Meer zermahlen. Unterm Miskroskop wären pralle poröse Sternchen zu erkennen. Mit fünf Zacken, wie auf den Fahnen von Kuba und den USA.
In so einem Moment seliger Entrückung – wer mag da an die Invasion der "Yankis" denken. Und daran, dass Varadero ihnen schon jetzt am meisten entgegenkommt. Rein geografisch jedenfalls...
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